In Buenos Aires steht die DDR unter Denkmalschutz
12. Dezember 2018
Wenn man in die zu neuem Leben erweckte Speicherstadt der argentinischen Hauptstadt kommt, fallen als Erstes große Kräne ins Auge, die an jeder Brücke stehen. Die sorgfältig restaurierten Ungetüme entstammen dem VEB Kranbau Eberswalde. Den Betrieb gibt es so schon lange nicht mehr, er ging bald nach der DDR den Bach runter. Hier haben die Zeugen der volkswirtschaftlichen Errungenschaften des Arbeiter- und Bauernstaates ein attraktives Nachleben.
Auch sonst steckt Buenos Aires voller Überraschungen. Die Stadt ist sichtbar auf dem aufsteigenden Ast. Die schönen Belle-Epoque-Gebäude der Innenstadt sind in schönster Form. Die kilometerlangen Parks der Stadt sind gepflegt, wie man das von deutschen Parks schon gar nicht mehr kennt. Wir besuchten kurz den berühmten Rosendal-Park und staunten. Die zahlreichen Besucher latschten nicht über die Rasenflächen, deponierten nicht ihren Müll in der Anlage und hielten sich an das Verbot, ihre Hundes draußen zu lassen. Dafür herrschte allgemeine Freude an der zauberhaften Anlage.
Die Altstadt von Buenos Aires ist durch die europäische Einwanderung geprägt. Die Geschichte der Stadt findet man in ihrem Telefonverzeichnis: Sergej Romanow, Ferdinando Rommel, Emilio Kirchner, Rosita de Rose Ladislao Radziwil, Sara Kalniente, Zorano Krzanic.
Im 19. Jahrhundert kamen Italiener, Kroaten, litauische Juden, im 20. Jahrhundert Russen, Ukrainer. Deutsche während der Wirtschaftskrise, deutsche Juden in den Dreißigern, nach 1945 deutsche Nazis und Osteuropäer.
Argentinien galt im 19. Jahrhundert als eines der reichsten Länder der Welt. Wie reich, davon zeugen die palastartigen Wohnhäuser, die heute nicht mehr von Privatleuten bewohnt werden, weil sie nicht mehr unterhalten werden können, oder die zahllosen prächtigen Mausoleen auf dem Hauptfriedhof.
In einem dieser Mausoleen, dem der Familie Duarte, liegt die berühmte Evita Peron. Nach ihrem Tod 1952 war es mit Juan Peron, dem Diktator mit den sozialistischen Neigungen, bergab gegangen, bis 1955 gegen ihn geputscht wurde. Peron flüchtete nach Frankreich, die Leiche Evitas fand Exil in Italien. Erst als Peron in den 70er Jahren nach Argentinien zurückgerufen wurde, fand auch Evitas Sarg den Weg zurück nach Hause zu ihrer jetzigen Ruhestätte. Neben Peron konnte sie nicht beigesetzt werden, denn der hatte seine dritte Frau, die 35 Jahre jüngere Isabel geheiratet, die nach seinem Tod die Regierungsgeschäfte übernahm. Verkompliziert wurde die Bestattungsfrage noch durch die Verhältnisse der Familie Duarte. Evitas Vater war verheiratet, Evitas Mutter nur seine Geliebte. Vater Duarte gab aber allen seinen Kindern, den ehelichen und den unehelichen, seinen Namen. Eine komplizierte Familiengeschichte, wie sie nicht untypisch für Argentinien sein soll. Evita ist unvergessen, auch bei den Touristen, die ihr Grab belagern. Die Ära ihres Mannes ist bis heute umstritten.
Argentinien galt im 19. Jahrhundert als eines der reichsten Länder der Welt. Wie reich, davon zeugen die palastartigen Wohnhäuser, die heute nicht mehr von Privatleuten bewohnt werden, weil sie nicht mehr unterhalten werden können, oder die zahllosen prächtigen Mausoleen auf dem Hauptfriedhof.
In einem dieser Mausoleen, dem der Familie Duarte, liegt die berühmte Evita Peron. Nach ihrem Tod 1952 war es mit Juan Peron, dem Diktator mit den sozialistischen Neigungen, bergab gegangen, bis 1955 gegen ihn geputscht wurde. Peron flüchtete nach Frankreich, die Leiche Evitas fand Exil in Italien. Erst als Peron in den 70er Jahren nach Argentinien zurückgerufen wurde, fand auch Evitas Sarg den Weg zurück nach Hause zu ihrer jetzigen Ruhestätte. Neben Peron konnte sie nicht beigesetzt werden, denn der hatte seine dritte Frau, die 35 Jahre jüngere Isabel geheiratet, die nach seinem Tod die Regierungsgeschäfte übernahm. Verkompliziert wurde die Bestattungsfrage noch durch die Verhältnisse der Familie Duarte. Evitas Vater war verheiratet, Evitas Mutter nur seine Geliebte. Vater Duarte gab aber allen seinen Kindern, den ehelichen und den unehelichen, seinen Namen. Eine komplizierte Familiengeschichte, wie sie nicht untypisch für Argentinien sein soll. Evita ist unvergessen, auch bei den Touristen, die ihr Grab belagern. Die Ära ihres Mannes ist bis heute umstritten.
Die Einwanderung nach Argentinien hat sich stark verändert. Heute kommen vor allem Venezulaner, Kolumbianer und andere Lateinamerikaner. Arbeit gibt es ausreichend, aber die Löhne sind nicht sehr hoch und werden zusätzlich durch die Inflation vermindert.
Das Herz von Buenos Aires ist die Plaza de Mayo. Hier stehen die wichtigsten Regierungsgebäude; das Rathaus, der Präsidentenpalast, von dessen legendärem Balkon Evita einst Hunderttausende Demonstranten begeisterte. In der Mitte des Platzes ist ein Brunnen. An diesem Brunnen versammelten sich die Mütter und Großmütter der während der Militärdiktatur nach dem zweiten Sturz Perons verschwundenen Söhne und Enkel. Nach Untersuchungen wurden bis zu 30.000 Menschen ermordet. Die Mütter gehören zu den wenigen Menschen in Argentinien, die dagegen öffentlich protestierten. Sie kleideten sich weiß und trugen weiße Kopftücher. Als die Polizei die Frauen aufforderte, nicht stehenzubleiben, sondern sich zu bewegen, begannen sie, immer um den Brunnen herum zu laufen. Danach ließ die Polizei die Frauen in Ruhe. Sie waren aber nicht außer Gefahr. Ihre erste Vorsitzende, Azucena Villaflor, verschwand ebenfalls spurlos. Der Protest wurde weltberühmt. Das bot Schutz. Bis heute kommen die mittlerweile betagten Frauen einmal in der Woche auf den Platz. Noch immer ist das Schicksal nicht aller Vermissten geklärt. Aber die Zeiten haben sich geändert. Als Ehrung der Frauen wurden rund um den Brunnen weiße Kopftücher auf das Pflaster gemalt.
In der nahe gelegenen Kathedrale befindet sich das Grab von General Martin, dem Anführer der Befreiungskriege der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts. Es wird flankiert von zwei Soldaten, die bewegungslos auf einen Degen gestützt für anderthalb Stunden Ehrenwache halten müssen, bis sie von zwei Kameraden abgelöste werden. Der feierliche Wachwechsel erinnert an eine Zeremonie der DDR an der Neuen Wache Unter den Linden.
Lateinamerika war immer wieder von kriegerischen Auseinandersetzungen heimgesucht worden, deshalb stehen überall Denkmäler siegreicher oder glückloser Generäle herum, nach denen auch zahllose alte Straßen benannt sind. Eine Sinnesänderung hat sich längst vollzogen. Im schicken neuen Speicherstadtviertel sind alle Straßen nach Frauen benannt.
Im krassen Gegensatz zur Speicherstadt steht der Bezirk la Boca am alten Hafen, dessen einst schöne Häuser völlig heruntergekommen sind. Ein kleiner Teil ist ein grellbuntes Künstlerviertel, das eher als Honigfalle für Touristen angelegt ist. In den vielfarbig getünchten Häusern, wie man sie inzwischen in vielen anderen Städten auch sieht, gibt es in den Erdgeschossen zahlreiche Restaurants und Bars. Auf kleinen Podien tanzen vor fast jeder Kneipentür junge Paare Tango. Wer sich mit ihnen fotografieren lassen möchte, muss zahlen. Eine Tango-Dame in den Arm zu nehmen oder auf seinen Schoß ziehen zu dürfen, ist ebenfalls gegen ein Entgelt gestattet. Ansonsten gibt es statt Kunsthandwerk hauptsächlich Touristenkitsch, der aussieht, als sei er in China produziert worden. Ein paar Puppen schauen aus den Fenstern im ersten Stock, auf dem Podest eines Eckhauses steht der Papst.
Am Hafen ist das Bemerkenswerteste ein kleines Schiff mit einer Art rotierender Wassermühlräder, die den Plastikmüll aus dem Wasser ziehen sollen.
Am Hafen ist das Bemerkenswerteste ein kleines Schiff mit einer Art rotierender Wassermühlräder, die den Plastikmüll aus dem Wasser ziehen sollen.
Gleich neben dem Künstlerviertel wird es grau. Der Verfall der ehemals schönen Kapitänshäuser erinnert an schlimmste DDR-Zeiten. Man kann nur hoffen, dass es bald „gentrifiziert“ und damit die schöne Architektur gerettet wird.
Am Ende unseres Rundgangs stellten wir fest, dass wir mindestens noch 30 Minuten auf unseren Bus warten müssen. Wir haben noch ein paar Pesos und nehmen am Tisch einer Eckkneipe Platz, deren raffzähniger Lockvogel bisher ohne Erfolg versucht hat, Touristen zum Hinsetzen zu bewegen. Als uns der Preis für zwei Bier und einen Kaffee genannt wird, fällt uns fast die Kinnlade herunter. Meine Reisefreundinnen müssen auf ihre Dollarreserven zurückgreifen.
An der Tür steht ein Sänger, dessen gar nicht so schlechte Stimme ebenfalls dazu animieren soll, sich niederzulassen. So lange wir da sitzen, gelingt das nicht. Schließlich macht der Troubadour einem Tangopärchen Platz. Das grüne Glitzerkleid der Dame sieht aus, als müßte es dringend gewaschen werden. Die Hosen und die Schuhe des Tänzers sind sichtbar staubig. Das Ganze hat etwas Trauriges. Touristen zu neppen ist kein einfaches Geschäft.
An der Tür steht ein Sänger, dessen gar nicht so schlechte Stimme ebenfalls dazu animieren soll, sich niederzulassen. So lange wir da sitzen, gelingt das nicht. Schließlich macht der Troubadour einem Tangopärchen Platz. Das grüne Glitzerkleid der Dame sieht aus, als müßte es dringend gewaschen werden. Die Hosen und die Schuhe des Tänzers sind sichtbar staubig. Das Ganze hat etwas Trauriges. Touristen zu neppen ist kein einfaches Geschäft.
Wir verlassen diesen Ort mit dem Gefühl, dass die verordnete „Buntheit“ der Multilateralisten die Welt einförmig und langweilig macht.
Auf dem Weg zum Flughafen kommt unser Guide Adrian auf den G-20-Gipfel zu sprechen, der in der Vorwoche Buenos Aires heimgesucht hatte. Er tagte im restaurierten Teatro Colón, einem Schmuckstück, das am 24. Mai 2010, zur 200-Jahr-Feier der argentinischen Unabhängigkeitsbewegung, wiedereröffnet wurde. Die Stadt war für die Hälfte der Bewohner gesperrt. Die 5% des Stadtgebietes, in dem sich der G-20-Tross bewegte, war komplett abgeriegelt. Kein normaler Mensch kam da hinein. So schottet sich Politik heute ab.
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